Bericht vom Ökumenischen Kirchentag in Berlin, 28.5.-1.6.2003: Mein Berlin – Loveparade, Schwulenhauptstadt Homopolis, Groß-Istanbul, Wirkungsstätte des größten, schönsten und besten Niedersachsen aller Zeiten, unseres gottlosen Kanzlers, im großen und ganzen aber doch eine bizarre Wohngemeinschaft aus Wehrdienstflüchtlingen links und SED-Funktionären rechts. Nein, ich bin kein Freund Berlins. Der Berlin-Hass, der in der ehemaligen „DDR“ verbreitet war, hat mich nicht ganz unbeeindruckt gelassen. Da kam mir der geringe Christen-Anteil unter den Berlinern gerade recht als Bestätigung. So verschmolzen Einsicht und Vorurteil zu dem obengenannten verballhornten Motto. Tatsächlich wurden mir noch nie zuvor dermaßen die umfassende Gemeinschaft der Christen und die Gemeinschaft der Heiligen so offenbar wie auf diesem Kirchentag. Dies galt beispielsweise für den unsichtbaren Beistand des Berliner Dompredigers Friedrich-Wilhelm Hünerbein. Wann immer unsere Gruppe sich in der Menschenmenge zu verlieren drohte, erklang von irgendwoher der Ruf „Hünerbein!“ und wir fanden wieder zusammen. Der Eröffnungsgottesdienst gab mir zunächst ein anderes, altvertrautes Gefühl: Nirgendwo fühle ich mich so einsam wie in der Menschenmenge. Nur unsere musikalische St. Stephani-Truppe, die offenbar als einzige im weiten Umkreis die Lieder mitsingen konnte, machte diese Ansammlung erträglich. Unerwartet begab es sich, daß ich immer mit den Leuten von St. Stephani beisammen war. Meine Hoffnung, mit meinen St. Andreas-Geschwistern viel gemeinsam zu unternehmen, wurde durch höhere Gewalt zunichte gemacht: Hier irrten wir uns in der Zeit, dort fiel eine Veranstaltung aus, fast alle koordinierte Planung verlief im Sande. So beschloß ich, meine eigenen Wege zu gehen und mich von den offensichtlich populärsten Veranstaltungen fernzuhalten. Die kleineren Veranstaltungen an der Universität in den kühlen Hörsälen boten mir eine vertraute, angenehmere Umgebung.
Was ist ein Prophet? Diese Frage folgte mir durch mehrere Vorträge. Manche erklärten uns hier: Dorothee Sölle, Karl Marx, diverse Schriftsteller und im Grunde jeder Sozialrevolutionär. Doch eines ging dabei völlig unter: Die persönliche Beziehung des Propheten und das offene, rücksichtslose Bekenntnis zum einzigen, lebendigen Gott. All diese schlauen Menschen (inklusive Ich) hatten ausgerechnet das wichtigste Merkmal übersehen. Hier wurde mir deutlich: Wenn das Volk Israel sich in Sicherheit und Hochmut wiegte, kam ein Prophet wie Jeremiah und verkündet den verheerenden Zorn Gottes, Krieg und Untergang. Lag das Volk Israel elend und hoffnungslos am Boden, kam einer wie Johannes und sprach vom unfaßbaren Heil, das Gott seinem Volk bereitet. Und der Prophet behält am Ende immer Recht.
Seltsames Glück am Rande: Das Katholische Bibelwerk fiel mir nicht nur sehr angenehm auf, auch deren Zeitschrift „Welt und Umwelt der Bibel“ legte mir der HERR offensichtlich ans Herz. Schon vorher faszinierte mich diese, und hier konnte ich Probe-Exemplare einsehen und mich vollends überzeugen. Ach wie nett, man konnte einige ältere Ausgaben zum günstigen Preis kaufen, und es waren nicht mehr und nicht weniger als exakt die sechs Ausgaben im Angebot, die auch mich interessierten. Danke, HERR!
Wieso kam immer alles ganz anders als erwartet? Anselm Grün war für mich bisher immer nur der Typ aus der Bild-Zeitung, was sollte der mir geben können? Trotz meiner Vorurteile überzeugte er mich, seine angenehme Stimme und seine originelle Betrachtung der Ostergeschichte waren sehr inspirierend. Seine „Auferstehungsfeier“ war ein spiritueller Hochgenuß.
Daß mein avantgardistischer Musikgeschmack auf dem Kirchentag neu inspiriert werden könnte, hielt ich für ausgeschlossen. Doch wieder bewies der HERR seine Vorliebe für völlig Unerwartetes. „Meditatives Obertonkonzert mit filigranen Obertonmelodien und explosiven Klanggewittern“ – die Ankündigung eines „Klanggewitter“ erschien mir vielversprechend. Und tatsächlich, diese Obertonmusik war wirklich ein faszinierendes Erlebnis.
Doch wieso fühlte ich mich ausgerechnet hier auf diesem Kirchentag irgendwie fremd und geriet in dieser Masse in die Einsamkeit? Der HERR führte mich in der Veranstaltung „Bibel-Parcours“ zu einer Antwort. Mit Kopfhörer und CD-Spieler ging es durch verschiedene Stationen des Lebens von Moses und Jesus. Ich bemühte mich um größtmögliche Offenheit, doch nach anderthalb Stunden war ich ziemlich erschöpft. Dennoch kam der wahre Hammer genau hier. In einer der letzten Stationen wurden einige Glaubensvorbilder vorgestellt. Schließlich stand ich vor dem Bild einer mir bis dato unbekannten Frau: die Heilige Elisabeth von Thüringen (1207-1231). Unerwartet vom Heiligen Geist ergriffen kamen mir die Tränen, als ich nur ihre schlichten biographischen Daten las. Zwischen den Zeilen sprach sie zu mir: „Als die Christenheit das Schwert ergriff und zu Kreuzzügen aufbrach, ging ich den entgegengesetzten Weg – Ich verteilte meinen Besitz an die Armen und pflegte Die Kranken, übte Barmherzigkeit bis zum Äußersten.“ Ebenso wie der HERR alle meine Erwartung an diesen Kirchentag konterkarierte, setzt der Wille Gottes vorzugsweise Kontrapunkte in unserem Leben und in der Weltgeschichte. Diese Elisabeth von Thüringen steht ihrer Biographie nach in völligem Gegensatz zu mir. Doch gerade sie erscheint mir seltsam vertraut und löst tiefe Emotionen aus. „Die Gegensätze müssen durch Gegensätzliches überwunden werden.“, hat sie einmal gesagt. Ihre Fremdartigkeit als „gesellschaftliches Ärgernis“ ihrer Zeit offenbart, daß solche Außenseiter ähnlich wie die Propheten eine Art ausgleichende Kraft zur breiten Masse darstellen.
Auch kann ich diesen einen Mann nicht vergessen. Er stellte sich auf ein Podest und begann, leichtbekleidete Besucherinnen als Huren zu beschimpfen und ähnliche Variationen des Gotteszorns zu verkünden. Die jungen Leute gingen nur vorbei und kicherten. Da erkannte ich, daß wir im Leib Christi miteinander verbunden sind wie in einem Netz: Strebt es an der einen Seite auseinander, ballen sich an der entgegengesetzten Seite die Knotenpunkte nur um so härter zusammen. Solche ‚verhärteten Christen‘ sind letztlich nur die (notwendige?) Reaktion auf die Masse der allzu weichgespülten Schäfchen, die in einlullender Romantik davonirren, das Gericht zu verharmlosen, die Hölle und Satan zu leugnen oder die Propheten beiseite zu schieben.
Als Beispiel solcher Verhärtung fielen mir ein schrulliges Traktat auf. Mit aller Schärfe zeigte es die Spur der wachsenden Macht der Gesetzwidrigkeit in der Geschichte der Kirche auf. In ihrer Konsequenz fordern sie die radikale Abgrenzung zu anderen Kirchen. Doch was soll diese Panik? Klar, die Macht der Gesetzwidrigkeit wird genauso sicher wachsen wie ihr Aufstieg bereits heute und in der Vergangenheit in unserer Mitte vorbereitet wird und wurde. doch vielmehr als diese Verwüstungen wiegt doch die bald darauf folgende Wiederkehr Christi. Im Lichte Christi betrachtet sind diese entsetzlichen Vorgänge leicht hinzunehmen, offenbaren die prophetische Wahrhaftigkeit der Bibel und bestätigen uns im Glauben. Sollte man etwa zu verhindern suchen, daß sich die Vorsehung Gottes an unserer Kirche vollzieht? Die Kinder Gottes im Leib Christi brauchen sich von der Endzeit nicht wirklich schrecken lassen. Vertraut dem HERRN, den sein Reich kommt!
So ist die Gemeinschaft der Christen also Realität und das war sie schon immer, inklusive der längst verstorbenen Heiligen. Und wir haben erfahren, daß die bunte Vielfalt christlicher Strömungen durchaus befruchtend und sich gegenseitig korrigierend wirken kann. Wozu brauchen wir da eigentlich noch die offizielle Ökumene? Meine Antwort ist: Damit sich die Prophezeiung der Schrift erfüllt! So glaube ich, daß die Ökumene sich tatsächlich durchsetzen wird. Aber wie ich unseren HERRN kenne, wird dies in einer Art und Weise und mit Konsequenzen geschehen, wie es die Menschen sich niemals ausgerechnet hätten...
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